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Wie messen wir unser gesellschaftliches Wohlergehen und unsere Entwicklung?

Hubert Witte
Durch die aktuelle Diskussion um die wirtschaftlichen Folgen von Zöllen erinnerte ich mich, dass ich bereits 2020 über eine Alternative zum Bruttoinlandsprodukt, heute Bruttonationalprodukt genannt, berichtet habe. Dieser Bericht bildet die Grundlage der jetzigen Fassung.
Das Umweltbundesamt hat mit dem Vorschlag für einen nationalen Wohlfahrtsindex eine Alternative erarbeitet, der wesentlich mehr Faktoren in die Statistik einbezieht. Ist es eine Alternative zum Bruttonationalprodukt?
Mit Bruttonationalprodukt bezeichnet man die gesamte Wirtschaftsleistung eines Landes. Es fließen nur Wertschöpfungen ein, die über den Markt entstehen. Das sind auch Reparaturkosten z. B. für Umweltschäden, denn sie stellen auch eine Wirtschaftsleistung dar.
Ich frage mich, kann das der richtige Maßstab für die Beurteilung der Leistung unseres Landes sein? Warum rechnen wir nicht, wie jeder Kaufmann, die Reparaturkosten als das, was sie sind, Aufwendungen für den Erhalt einer in intakten Umwelt und Lebensqualität. Kann man wirklich die Kosten für die Aufbereitung von Trinkwasser zur Einhaltung von Grenzwerten oder für ein Atomendlager als positive Wirtschaftsleistung ansehen?
Seit 1972 der Club of Rome das Buch „Die Grenzen des Wachstums“ veröffentlichte, konnten wir erahnen, was in den nächsten Jahrzehnten auf uns unsere Gesellschaft zu kommen würde. Haben wir den Mut gehabt, die Konsequenzen zu ziehen (diese Frage mag jeder für sich beantworten.) und welche wären das gewesen? Ist die Bedingung Wachstum überhaupt der richtige Maßstab?
Wenn wir uns nicht ständig selbst belügen wollen, ist eine andere Bewertung unserer Wirtschaftsleistung aus meiner Sicht schon lange überfällig. Ein neuer Ansatz zur Bewertung unserer Wirtschaftsleistung wurde schon vom Club of Rome gefordert, denn endloses Wachstum gibt es nicht. Eine neue Bewertung der Leistung unseres Landes wurde vom Umweltbundesamt veröffentlicht, der Nationale Wohlfahrtsindex (NWI). In dem NWI werden 20 Teilvariablen erfasst, so auch die nicht über den Markt erzielten Wohlfahrtssteigerungen, z. B. ehrenamtliche Tätigkeiten und Haushaltsarbeit positiv, sowie einige soziale Kosten und ökologische Schäden negativ. In dem Diagramm auf der Seite der Bundesumweltamtes wird deutlich, dass der NWI im Gegensatz zu BNP nicht wesentlich steigt. Würde man die nicht über den Markt erzielten Wohlfahrtssteigerungen herausrechnen, sähe es noch schlechter aus.
Wie messen wir unser gesellschaftliches Wohlergehen und unsere Entwicklung? (Kopie)

Das Umweltbundesamt kommt bereits 2020 auf seiner damaligen Internetseite zum NWI zu folgender Schlussaussage:
„• Mit dem Wirtschaftswachstum, gemessen als Zuwachsrate des BNP, wird ein im Grunde überholtes Statistik-Phantom in das Zentrum der Aufmerksamkeit gestellt, mit falschen Signalen für die Orientierung der Wirtschaftspolitik.
- Es ist sinnvoll, neue Konzepte wie den NWI für die Messung von Wohlfahrt und Wohlergehen stärker in den Vordergrund zu stellen, gerade wenn sie mit der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung verbunden werden können. Die Entwicklungen von BNP und NWI können dann miteinander verglichen werden – was zu einer neuen Perspektive auf die Gestaltung von Wachstum und Wohlfahrt in einer Gesellschaft führt.“
Das Bruttonationalprodukt und der Nationale Wohlfühlindex laufen über die Berichtsjahre weit auseinander. Während das BNP steigt, stagniert der NWI nahezu auf gleichen Stand. Die Schere geht immer weiter auseinander.
Nun kann man darüber streiten, ob die Gewichtung der einzelnen Variablen des NIW richtig ist und ob nicht noch weitere Faktoren einfließen müssten, dennoch würde die Bewertung unserer Wirtschaftsleistung eine andere sein. Es ist ein Weg hin zu einem "Nationalen Öko-Sozialprodukt".
Wenn Leistungen für Umwelt- und Naturschutz erbracht werden, sind das Reparaturkosten, die wir als Gesellschaft verursacht haben, und für die wir mit einer gesellschaftlichen Leistung auch aufkommen müssen. Dies muss sich nach meiner Meinung auch in einer Statistik auswirken.
Ein Weg weg von der reinen ökonomischen Betrachtung hin zur Messung aller gesellschaftlichen Leistungen, ist die Studie des Umweltbundesamtes zum Nationalen Wohlfühlindex. Warum ist diese Form der Bewertung so wenig bekannt? Fehlt uns der Mut, weil wir dann die Fehler der Vergangenheit erkennen würden? Erkannte Fehler sind doch dazu da, sie korrigieren und nicht immer wieder zu wiederholen. Wie wäre es, beide Statistiken nebeneinander durchzuführen? Vielleicht führt das ja schon zu einem Umdenken und einem Ausgleich in unserer Gesellschaft.
Wenn Sie das Thema weiter interessiert, hier eine Arbeit aus dem Umweltbundesamt.
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