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Rohrkrepierer statt großer Wurf: Das geplante Vogelschutzgebiet „Diemel- und Hoppecketal mit Wäldern bei Brilon und Marsberg“

Auf der Wienecke (Foto: Richard Götte)

Von Harald Legge

„Der Artenverlust ist neben der Klimakrise die zweite große ökologische Bedrohung für uns und die Art und Weise, wie wir leben“, lässt sich NRW-Umweltminister Oliver Krischer in einer offiziellen Pressemitteilung des Ministeriums vom 22.05.2023 zitieren. (MUNV NRW 2023) Im nächsten Satz verweist er auf seine „ambitionierte Naturschutzpolitik“ und ist der Meinung, dass er diesbezüglich „sehr erfolgreiche Projekte und Maßnahmen“ vorweisen könne. Dem spricht die Naturschutzpolitik seines Ministeriums zumindest in Ostwestfalen derzeit Hohn, wo der laufende Ausweisungsprozess des europäischen Vogelschutzgebietes (VSG) „Diemel- und Hoppecketal mit Wäldern bei Brilon und Marsberg“ zu einem Naturschutz-Fiasko zu werden droht. Allen Bekenntnissen des Landes NRW und der Partei der GRÜNEN zum Trotz, die internationalen Vereinbarungen der Weltnaturkonferenz in Montréal vom Dezember 2022 und die EU-Biodiversitätsstrategie umzusetzen. Und unter Missachtung der gesetzlich bindenden EU-Vogelschutz-Richtlinie (V-RL).

Der im gesamten Hochsauerlandkreis (HSK) im Südosten Nordrhein-Westfalens aktive „Verein für Natur- und Vogelschutz im Hochsauerlandkreis e.V.“ erfasst mit seiner ornithologischen Arbeitsgemeinschaft (OAG/VNV) seit der Gründung des Vereins 1987 alljährlich die Brutbestände ausgewählter Vogelarten. Diese Kartierungen führten zu der Erkenntnis, dass sich im östlichen Hochsauerlandkreis, namentlich in den Stadtgebieten Brilon und Marsberg, NRW- und deutschlandweit bedeutende Brutvorkommen bedrohter, nach europäischem Recht geschützter Vogelarten befinden. Im Fall des Raubwürgers liegt hier neben einem wichtigen Brut- auch ein bedeutendes Wintervorkommen. Darüber hinaus befindet sich nördlich Marsberg ein Rastgebiet des Mornellregenpfeifers, das als „Schwerpunktvorkommen“ für diese Art rechtskräftig ausgewiesen wurde.

Für alle Mitgliedstaaten der EU und damit für alle deutschen Bundesländer besteht die gesetzliche Verpflichtung, geeignete Maßnahmen für den Erhalt derjenigen Vogelarten zu ergreifen, die in Anhang I V-RL aufgeführt sind oder gemäß Artikel 4 Absatz 2 V-RL (wandernde Arten) Schutz genießen, indem von den Mitgliedstaaten die am besten geeigneten Gebiete ausgewiesen werden müssen (grundlegend EuGH, Urt. v. 2.8.1993, C-355/90, Kommission / Spanien, Slg. 1993, I-4221 Rn. 29 – Santoña).

Die Arbeit vor Ort

Raubwürger am Scheffelberg (Foto: Richard Götte)

Besonders in den Jahren 2017 bis 2019 wurden durch die OAG/VNV ausgewählte Arten der europäischen V-RL, namentlich Anhang I - Arten und gefährdete wandernde Arten des Artikels 4 Absatz 2, möglichst genau in den Stadtgebieten Brilon und Marsberg nach den Kriterien nach Südbeck et al. (2005) erfasst und ausgewertet. Die Erkenntnisse bildeten die Grundlage für den VNV-Antrag auf Ausweisung eines 28.063 ha großen Gebietes in den Stadtgebieten Brilon und Marsberg als europäisches VSG, den der VNV mit Schreiben vom 07.12.2019 bei der Europäischen Kommission in Brüssel stellte. Das Umweltministerium Nordrhein-Westfalen, die Bezirksregierung Arnsberg und der Landrat des HSK wurden darüber zeitgleich in Kenntnis gesetzt.

Diese 28.063 ha hat der VNV auf Grund der wissenschaftlich ermittelten Vorkommen der relevanten Vogelarten zur Ausweisung als VSG beantragt. Denn in die Kulisse eines VSG sind gemäß den rechtlichen Vorgaben sämtliche Flächen zu integrieren, die von maßgeblichen Vogelarten „in mindestens durchschnittlichem Umfang“ genutzt werden. (EuGH, Urteil v. 13.12.2007; BVerwG, Urteil v. 01.03.2021) Dabei ist der Kenntnisstand auf Grund der aktuellen Datenlage entscheidend („beste verfügbare wissenschaftliche Erkenntnisse“, vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2007, C-418/04, Kommission / Irland, ECLI:EU:C:2007:780 Rn. 63; Urt. v. 26.4.2018, C-97/17, Kommission / Bulgarien, ECLI:EU:C:2018:285 Rn. 76; ferner BVerwG, Urt. v. 06.11.2013, 9 A 14.12, juris Rn. 44; Urt. v. 06.04.2017, 4 A 16.16, juris Rn. 28 m.w.N.).

Das Landesamt prüft

Neuntöter (Foto: Richard Götte)

Das Landesamt für Natur-, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) prüfte die Daten der OAG/VNV und befand sie als „belastbar“. Zudem führte es im Gebiet eigene Kartierungen durch. Die Fachbehörde befand, dass die Kriterien des Raumes für ein VSG erfüllt seien (LANUV 2023):

Im Gebiet liegen mindestens 1 % der Brutplätze und Aktionsräume der deutschen Population des Raubwürgers, ebenso „möglicherweise“ mindestens 1 % der Rast- und Überwinterungsräume des deutschen Bestandes des Raubwürgers. Allerdings lägen keine Daten zum bundesdeutschen Winterbestand der Art vor. Das Gebiet weist nach VNV-Erkenntnissen einen Winterbestand von 30 bis 40 Individuen auf. (OAG/VNV unveröff.; das LANUV geht fälschlicherweise von „20 (-25) Individuen“ aus).

Für Raubwürger, Neuntöter und Grauspecht gehört der Raum Brilon/Marsberg zu den fünf wichtigsten Gebieten in NRW.

Für die rechtlich gebotene Ausweisung eines VSG reicht die Erfüllung eines dieser Kriterien. Daneben sind laut LANUV folgende „Zusatzkriterien“ erfüllt:

Das „Gebiet unterscheidet sich in Charakter, Habitat oder ornithologischem Wert von der Umgebung“.

„(D)as Gebiet bietet eigenständig oder mit anderen Gebieten die nötigen Lebensgrundlagen für die zu schützenden Arten“.

„Das Gebiet ist ein bestehendes oder potenzielles Schutzgebiet oder eine Region, in der Maßnahmen für den Naturschutz möglich sind“.

Weiter stellt das LANUV fest, dass folgende Arten der V-RL mit „landesweit bedeutsamen Populationen“ dort vorkommen: Eisvogel, Uhu, Schwarzmilan, Schwarzstorch, Schwarzspecht, Mittelspecht, Raufußkauz, Rotmilan, Wiesenpieper.

Die Stimmung vor Ort und die Schrumpfung der Grenzen

Rotmilan (Foto: Richard Götte)

Vor Ort schlugen indes die Wogen hoch – wie so oft bei der geplanten Ausweisung von Schutzgebieten. Teile der Politik aus den Kommunen Brilon und Marsberg sowie dem HSK, der landwirtschaftliche Kreisverband, Vertreter der Forstwirtschaft, die Industrie- und Handelskammer Arnsberg überboten sich mit Falschbehauptungen, malten das VSG als Schreckgespenst an die Wand und suggerierten das Ende der wirtschaftlichen Entwicklung der Region. Den Kartierern wurde die Fachkompetenz abgesprochen; die erhobenen Daten wurden in Zweifel gezogen; der VNV habe „konspirativ und heimlich“ agiert; das gesamte Ausweisungsverfahren sei laut HSK-Kreisverwaltung nicht gesetzeskonform, weil die Ermittlung von Schutzgebieten gemäß EU-Vorgaben eine „hoheitliche Aufgabe“ sei, die nicht von einer Privatperson anstelle einer Behörde übernommen werden dürfe; konsequenterweise fordert der HSK nach einem Kreistagsbeschluss das Landes-Umweltministerium auf, das Verfahren „aufzuheben“; den Kommunen und Betrieben werde jegliche Entwicklung genommen, selbst ein Radweg oder der Ausbau einer Straße könnten durch ein VSG unmöglich sein…

Das LANUV gab seinerseits Anfangs einen Abgrenzungsvorschlag von rund 12.000 ha für das an die EU-Kommission zu meldende VSG vor, das neben den Stadtgebieten Marsberg und Brilon auch ein Teilgebiet der Stadt Olsberg betraf. Die erste Offenlegung des Entwurfs der Meldeunterlagen erfolgte von Dezember 2020 bis September 2021.

12.000 ha anstelle von 28.000 ha! Und diese 12.000 ha umfassen v.a. Waldflächen, jedoch wenig Offenland/landwirtschaftlich genutzte Flächen! – Selbst für einen Laien ist ersichtlich, dass auf diese Weise nicht die auf 28.000 ha vorkommenden Vogelpopulationen geschützt werden können, insbesondere nicht die Arten der offenen bzw. halboffenen Landschaft, Raubwürger und Neuntöter. Ein Großteil der Populationen der drei Arten liegt außerhalb dieser Vorschlags-Kulisse – siehe beispielhaft die Verbreitungskarten. Auch die Populationen bzw. die Aktionsräume der weiteren Arten des Anhang I und des Artikel 4 Absatz 2 V-RL auf HSK-Seite – überwiegend Arten des strukturreichen Offenlandes bzw. der halboffenen Landschaft – liegen ganz oder zu einem großen Teil außerhalb dieses Gebietsvorschlags.

An diesem grundsätzlichen Makel, der unten ausgeführt wird, änderte auch eine zweite Offenlegung im Ausweisungsverfahren nichts, die vom 27.02. bis 27.03.2023 erfolgte, weil seitens der mit der Planung befassten Behörden eine modifizierte Abgrenzung erarbeitet wurde. Auf der einen Seite durch Hinzunahme kleiner Flächen im HSK, aber v.a. eines Waldgebietes von rund 5.000 ha Größe im angrenzenden Kreis Paderborn – auf Antrag der Stadt Bad Wünnenberg wurden Teile des Fürstenberger Waldes hinzugefügt, außerdem der Staatswald „Ringelsteiner Wald“ – und gleichzeitig auf der anderen Seite der Herausnahme von größeren Bereichen aus dem ursprünglichen LANUV-Abgrenzungsvorschlag im HSK, u. a. die Flächen im Stadtgebiet Olsberg, beläuft sich dieses faktische VSG nun auf 15.165,50 ha.

Die Gebietsabgrenzung ist unzureichend!

Laubwald im faktischen Vogelschutzgebiet (Foto: Richard Götte)

Die anerkannten Naturschutzverbände in NRW (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Naturschutzbund Deutschland und Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt) hielten und halten sowohl den früheren als auch den aktuellen Abgrenzungsvorschlag des LANUV für fachlich nicht nachvollziehbar, unzulänglich und nicht geeignet, die formulierten Schutzziele zu erfüllen. Um dies zu erhärten, führte die OAG/VNV in den Jahren 2020, 2021 und 2022 umfangreiche weitere ornithologische Kartierungen auf HSK-Seite durch und brachte die gewonnenen Erkenntnisse in das laufende Verfahren ein.

Dass sich die Grenzen des geplanten VSG erkennbar nicht an den Vorkommen der Arten Raubwürger, Neuntöter und Grauspecht orientieren und ebenso wenig an den Vorkommen der weiteren landesweit bedeutenden Vorkommen von Arten des Anhang I und des Artikels 4 Absatz 2 V-RL, machen folgende Fakten deutlich:

Es ist nur etwa die Hälfte der Bereiche als VSG vorgesehen, die von der Raubwürger-Brutpopulation zur Brutzeit genutzt werden. Es konnten beispielsweise im Jahr 2021 insgesamt 21 (!) Raubwürgerreviere mit Brutnachweis bzw. Brutverdacht ermittelt werden. Darüber hinaus gab es in dem Jahr weitere 7 Gebiete mit Brutzeitbeobachtungen. Der Gesamtbestand dieser deutschlandweit vom Aussterben bedrohten Art wird für NRW mit 30 – 50 Brutpaaren angegeben. (Grüneberg et al. 2016)

Raubwürger-Brutreviere 2020-22: Das faktische Vogelschutzgebiet bedarf der deutlichen Erweiterung!

Raubwürger-Brutreviere 2020-22: Das faktische Vogelschutzgebiet bedarf der deutlichen Erweiterung!

Fast alle Winterreviere des Raubwürgers liegen außerhalb der Grenzen des geplanten VSG.

Etwa die Hälfte der auf 500 Brutpaare geschätzten Neuntöter-Population liegt außerhalb der Grenzen des geplanten VSG.

Nur etwa die Hälfte der 2021 auf HSK-Seite ermittelten 56 sicheren Brutreviere des Grauspechts liegt ganz oder teilweise innerhalb der LANUV-Kulisse.

Das Land NRW ist gesetzlich verpflichtet, auch für die weiteren Anhang I – Arten sowie die gefährdeten wandernden Arten nach Artikel 4 Absatz 2 V-RL Schutzgebiete auszuweisen, ist dem bislang aber erst unzureichend nachgekommen. Schreiber (2021 unveröff.) verglich die Größe der Populationen der relevanten Vogelarten im vom VNV als VSG beantragten Gebiet mit den Beständen, die in den Standard-Datenbögen der in NRW ausgewiesenen VSG genannt werden. Er kommt zu dem Schluss, dass auch für folgende Arten das beantragte VSG „Diemel und Hoppecketal mit Wäldern bei Brilon und Marsberg“ zu den fünf wichtigsten Gebieten in NRW gehört und darum schon nach den landeseigenen Kriterien als VSG ausgewiesen werden muss: für die Arten des Anhang I Schwarzstorch, Wespenbussard, Schwarzmilan, Rotmilan, Uhu, Raufußkauz, Schwarzspecht und Eisvogel; für die gefährdeten wandernden Vogelarten nach Artikel 4 Absatz 2 Wanderfalke, Feldlerche und Zippammer. Baumfalke, Turteltaube, Baumpieper und Waldlaubsänger – auch diese Arten kommen in bedeutsamen Populationen im beantragten VSG vor – sind in NRW bislang ebenfalls noch nicht ausreichend oder noch gar nicht durch Schutzgebiete abgedeckt.

Diese Arten spielten bei der Erstellung der Gebietskulisse des LANUV erkennbar keine Rolle, die Brutgebiete der hiesigen Populationen liegen ganz oder teilweise außerhalb der rund 12.000 ha des Teiles des VSG, die sich im HSK befinden. Hätte man sich dagegen bei der VSG-Kulisse an den ermittelten Vorkommen der Arten Raubwürger, Neuntöter und Grauspecht orientiert (die vom VNV-Vorschlag für das VSG abgedeckt werden), wären die Populationen der weiteren genannten Arten automatisch mit einbezogen worden.

Raubwürger-Winterreviere 2017-20: Das faktische Vogelschutzgebiet bedarf der deutlichen Erweiterung!

Raubwürger-Winterreviere 2017-20: Das faktische Vogelschutzgebiet bedarf der deutlichen Erweiterung!

Da aber offensichtlich bei der Abgrenzung des geplanten VSG politische Erwägungen eine große Rolle spielten – obwohl laut EU-Gesetz allein die Populationen der relevanten Vogelarten und deren Aktionsräume maßgeblich sind – kam ein Flickenteppich aus im Gelände oft nicht von der Umgebung abgrenzbaren kleinen Teilstücken heraus (siehe v.a. im südlichen Bereich des geplanten VSG). Außerdem wurden landwirtschaftliche Grünland- und Ackerflächen sowie Weihnachtsbaumkulturen großenteils parzellenscharf gänzlich ausgespart, auch wenn diese nachweislich für eine Reihe von Schwerpunktvorkommen von Raubwürger und Neuntöter im betrachteten Gebiet essentiell sind.

Auch durch weitere fachliche Mängel bei der Abgrenzung konterkariert der Abgrenzungsvorschlag des Landes die Vorgaben des eigenen Ministeriums:

Flächen des Biotopverbundsystems NRW sind nicht in das geplante VSG einbezogen, auch wenn in ihnen Raubwürger, Neuntöter und/oder Grauspecht vorkommen und diese Arten richtigerweise für diese Gebiete in den Sachdokumenten aufgeführt werden.

Zwar findet der Wiesenpieper als gefährdete Art des Artikels 4 Absatz 2 V-RL bei der Abgrenzung des VSG die gebotene Berücksichtigung – es gibt zwei Vorkommen mit je ca. 10 – 15 Brutpaaren in ausgewiesenen Naturschutzgebieten – aber alle (!) weiteren in den Stadtgebieten Marsberg und Brilon vorkommenden gefährdeten Arten dieser Liste werden ignoriert, auch im Standard-Datenbogen. Bei der Feldlerche handelt es sich um das wichtigste oder zweitwichtigste Vorkommen in NRW. Die Art erreicht hier aktuell in der Normallandschaft (konventionell bewirtschaftete Äcker) Dichten von teilweise über 50 Revieren/100 ha (OAG/VNV unveröff.)!

Nicht nachvollziehbar ist, dass Fichten-Kalamitätsflächen, die bei der ersten Offenlegung noch im LANUV-Gebietsvorschlag enthalten waren, bei der zweiten Offenlegung aus der Gebietskulisse herausgenommen wurden, obwohl sie für die Arten Raubwürger, Neuntöter und Grauspecht hohe Bedeutung haben.

Das „Schwerpunktvorkommen“ Mornellregenpfeifer ist vom LANUV-Vorschlag nicht erfasst.

Logische Stringenz fehlt auch bezüglich der Zusatzkriterien (s.o.), die zwar laut LANUV für das Gebiet zutreffen, aber augenscheinlich nicht ausreichend bei der Abgrenzung berücksichtigt wurden.

So unterscheidet sich das geplante VSG an vielen Orten in Charakter, Habitat oder ornithologischem Wert nicht von der Umgebung.

Es bietet nicht eigenständig oder mit anderen Gebieten die nötigen Lebensgrundlagen für die zu schützenden Arten.

Es sind viele geeignete bestehende oder potenzielle Schutzgebiete, in denen Maßnahmen für den Naturschutz möglich sind, nicht einbezogen. Allein 15 ausgewiesene Naturschutzgebiete und 23 Landschaftsschutzgebiete Typ C („Wiesentäler und bedeutsames Extensivgrünland“) werden nach aktuellem Stand teilweise oder gänzlich nicht im geplanten VSG liegen. Auch viele weitere, nicht im LANUV-Vorschlag enthaltene Gebiete ohne Schutzstatus oder mit dem Schutzstatus Landschaftsschutzgebiet Typ A und Typ B bieten bzw. böten vielfältige Möglichkeiten, in denen im Rahmen des Vertragsnaturschutzes „Maßnahmen für den Naturschutz möglich sind“.

Sichere Reviere von Grauspecht und Schwarzspecht 2021: Das faktische Vogelschutzgebiet bedarf der deutlichen Erweiterung!

Sichere Reviere von Grauspecht und Schwarzspecht 2021: Das faktische Vogelschutzgebiet bedarf der deutlichen Erweiterung!

Durch die unzureichende Abgrenzung des VSG, insbesondere die Nicht-Einbeziehung bedeutender Vorkommen von Raubwürger und Neuntöter, entsteht nun die widersinnige Situation, dass zukünftig Maßnahmen für den Erhalt der Teilpopulationen und für den Naturschutz dort insgesamt verhindert werden.

Denn während innerhalb eines VSG grundsätzlich alle Flächen als Vertragsnaturschutz-fähig eingestuft werden, da damit die Arten im VSG gefördert werden können, trifft dies außerhalb des VSG nur auf vegetationskundlich bedeutsame Flächen wie § 62-Biotope oder FFH-Lebensraumtypen zu.

Außerdem besteht in NATURA 2000 – Gebieten, wozu ein VSG zählt – ein Verschlechterungsverbot. Im VSG besteht also zukünftig die rechtliche Möglichkeit, den Erhalt der Qualität eines Lebensraums von Arten der V-RL durchzusetzen. Dieses Verschlechterungsverbot betrifft nicht die Vorkommen außerhalb der VSG-Kulisse, eine wichtige rechtliche Voraussetzung für deren Erhalt ist nicht vorhanden.

Dass lediglich die drei Arten Raubwürger, Neuntöter und Grauspecht vom Land NRW als wertgebend für das VSG angesehen werden, weitere Arten aber nicht, selbst wenn das Gebiet Brilon – Marsberg nach Datenlage bei diesen zu den fünf wichtigsten in NRW zählt, hat ebenfalls offensichtlich politische Gründe. Minister Krischer äußert, dass im einzurichtenden VSG „Diemel- und Hoppecketal“ auch Windenergieanlagen errichtet werden könnten, da Raubwürger, Neuntöter und Grauspecht nicht als windkraftsensibel gelten würden. (WDR-Interview 18.06.2023) Obwohl das Gebiet mit neun Paaren des Schwarzstorchs, rund 54 langjährigen Rotmilan-Revieren, fünf bis zehn Paaren des Schwarzmilans sowie allein im Stadtgebiet Marsberg sechs sicheren Wespenbussard-Paaren (OAG/VNV unveröff.) jeweils das wichtigste in NRW ist und beim Uhu mit 21 Revieren (2021, OAG/VNV unveröff.) Rang 2 bekleidet, soll dies nach Meinung des für den Naturschutz (!) in NRW zuständigen Ministers keine Rolle spielen. Die noch überaus starken Populationen dieser Windkraft-sensiblen Arten dieses Raumes werden schlicht ignoriert, obwohl das Gebiet auch für diese Arten nach den rechtlichen Vorgaben zwingend als VSG ausgewiesen werden müsste.

Fazit

Fütternder Raubwürger (Foto: Richard Götte)

Das europäische Vogelschutzgebiet „Diemel- und Hoppecketal mit Wäldern bei Brilon und Marsberg“ hätte ein Aushängeschild für ambitionierten Naturschutz des Landes Nordrhein-Westfalen werden können. Aber das laufende Ausweisungsverfahren macht es wahrscheinlich, dass es einer Bankrotterklärung der Naturschutzpolitik des Landes NRW gleichkommen wird. Denn das geplante und rechtlich gebotene VSG deckt einen Großteil der Vorkommen der für die Ausweisung relevanten Arten nicht ab. So wird mit dieser Gebietskulisse die rechtliche Verpflichtung unseres Bundeslandes nicht erfüllt werden, die dort vorkommenden landesweit bedeutsamen Vogelpopulationen einer ganzen Reihe von Arten der europäischen Vogelschutz-Richtlinie (V-RL) zu schützen und ihre Bestände zu bewahren. Ganz zu schweigen von dem erklärten Ziel, gemäß der EU-Biodiversitätsstrategie und den Vereinbarungen der Weltnaturkonferenz in Montréal 30 Prozent der Landfläche unter Schutz und ein Drittel davon unter strengen Schutz zu stellen.

Wo, wenn nicht in den „am besten geeigneten Gebieten“, sollen diese Schutzgebiete entstehen und die Arten geschützt werden?

Die Naturschutzverbände in NRW (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Naturschutzbund Deutschland und Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt) halten darum den ursprünglichen, wissenschaftlich und rechtlich begründeten Abgrenzungsvorschlag des VNV nachdrücklich aufrecht und werden sich weiterhin engagiert dafür einsetzen.

Literatur:

Grüneberg, C., S. R. Sudmann sowie J. Weiss, M. Jöbges, H. König, V. Laske, M. Schmitz & A. Skibbe (2013): Die Brutvögel Nordrhein-Westfalens. NWO & LANUV (Hrsg.), LWL-Museum für Naturkunde, Münster.

LANUV [Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz] NRW (2023): DE-4517-401 VSG Diemel- und Hoppecketal mit Wäldern bei Brilon und Marsberg, Zusammenfassendes Kurzdokument. https://www.bra.nrw.de/system/files/media/document/file/DE-4517-401_EO-Zusammenfassendes%20Kurzdokument.pdf (letzter Aufruf 18.06.2023).

MUNV [Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr] NRW (2023): Minister Krischer: Ohne eine intakte Natur gefährden wir unsere Lebensgrundlagen. https://www.umwelt.nrw.de/presse/detail?tx_news_pi1%5Bnews%5D=2042&cHash=cefe2ed7c3076722a892c60e15e8bcc6 (letzter Aufruf 18.06.2023).

Schreiber, M. (2021): Die Bedeutung des faktischen Vogelschutzgebietes „Diemel- und Hoppecketal mit Wäldern bei Brilon und Marsberg“ im bundesweiten Netz „Natura 2000“, unveröff.

Südbeck, P., Andretzke, H., Fischer, S. (2005): Methodenstandards zur Erfassung der Brutvögel Deutschlands. Radolfzell.

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