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DigiTiB – ein digitales Lernwerkzeug für die Vermittlung von Artenkenntnis

Beispielseite von der Homepage von DigiTiB

Peter Michalik & Michael Heethoff

Vorbemerkung

Fundierte Kenntnisse über die Vielfalt von Organismen und ihre Funktionen in den Ökosystemen bilden die Basis für nachhaltiges Handeln im Naturschutz. Eine zentrale Rolle nimmt dabei das Erkennen der Organismen in ihren Lebensräumen ein. Aus diesem Grund ist die Vermittlung von Kenntnissen der heimischen Tier- und Pflanzenarten eine grundlegende Komponente in der biowissenschaftlichen Ausbildung und geschieht im Rahmen von praktischen Übungen anhand von Sammlungsmaterial oder auf Exkursionen ins Freiland (Michalik & Heethoff, 2022).

Für die Vermittlung von Artenkenntnis gibt es mittlerweile eine ganze Fülle von (unterstützenden) digitalen Ressourcen, wobei sich vor allem die wachsende Zahl an Apps mit automatischer Bilderkennung großer Beliebtheit erfreuen. Der Nutzen derartiger Lösungen ist offensichtlich (z. B. schnelle Erfassung der Biodiversität in einem bestimmten Gebiet, eigenes „Arten-Tagebuch“, usw.), aber Nutzer:innen dieser Apps erlangen vor allem aufgrund der fehlenden Auseinandersetzung mit den diagnostischen Merkmalen nur bedingt anwendbare Artenkenntnisse, was sich vor allem auf höheren Organisationsebenen negativ auswirkt, um z. B. eine Wanze von einem Käfer oder einen Lauf- von einem Prachtkäfer zu unterscheiden.

Um das erforderliche Wissen zu erwerben, ist neben geeigneter Bestimmungsliteratur auch ein Zugang zu Vergleichssammlungen nötig, in welchen man die zu bestimmenden Individuen mit nahe und auch weniger nahe verwandten Arten vergleichen kann. Wie aber kann der Zugang zu solchem Vergleichsmaterial ermöglicht bzw. verbessert werden? Welche Möglichkeiten gibt es, die Vermittlung von Artenkenntnis mit digitalen Hilfsmitteln zu fördern?

Diese Fragen waren Ausgangspunkt für die Initiative DigiTiB* (Digitale Tierbestimmung, www.digitib.de.), welche im Frühjahr 2020 startete (DigiTiB ist Teil eines größeren Projekts zu digitalen Lehr-Lern-Formen in der praktischen biowissenschaftlichen Lehre an der Universität Greifswald, das in Kooperation mit der TU Darmstadt und der Universität Rostock gestaltet wird. Das Land Mecklenburg-Vorpommern unterstützt das Projekt finanziell). Zuerst primär für den Einsatz an Hochschulen gedacht, hat sich die Reichweite von DigiTiB schon nach kurzer Zeit erhöht, da es komplementär auf allen Ebenen der Artenkenntnis-Ausbildung verwendet werden kann (zum Beispiel an Schulen oder bei Fortgeschrittenen-Kursen).

Wie funktioniert DigiTiB?

Beispielseite von DigiTiB, die zu ausführlichen Artbeschreibungen führt.

DigiTiB ist als Lern- und Lehrplattform angelegt und ermöglicht einen virtuellen Zugang zu zahlreichen Objekten. Die Plattform gliedert sich in die Bereiche Tiere kennenlernen und Tiere erkennen sowie einer Kursverwaltung und erlaubt damit verschiedene Zugänge, um die Artenkenntnis zu vermitteln und zu trainieren. Aufgrund der Struktur kann DigiTiB beliebig wachsen und kann bei Bedarf auch gezielt für Spezialkurse mit Material angereichert werden. Aktuell enthält die Plattform Informationen und Digitalisate von über 600 Arten von Weichtieren, Gliederfüßern und Wirbeltieren.

Tiere kennenlernen: In diesem Bereich können Interessierte das systematisch gegliederte Artenlexikon durchstöbern und erfahren Wissenswertes zur Biologie und zum Vorkommen der jeweiligen Tiere.

Tiere erkennen: Alle Arten in diesem Bereich sind nur mit einer Nummer gekennzeichnet und ermöglicht somit die Übung und Überprüfung erlernter Kenntnisse. Herzstück ist die virtuelle Bildergalerie mit der integrierten Superzoom-Funktion durch die Bilder stark vergrößert werden können, um alle bestimmungsrelevanten Merkmale erkennen zu können. Ergänzend kommen bei einigen Tiergruppen 3D-Modelle zum Einsatz, die mit einem photogrammetrischen Verfahren erstellt wurden. Besonders ist dabei, dass die dem 3D-Modell zugrundeliegenden Bilder ebenfalls durch ein spezielles Betrachtungswerkzeug genutzt werden können.

Lernende: Die Bestimmung der Arten erfolgt mit konventioneller Bestimmungsliteratur, wie zum Beispiel dichotomen Schlüsseln, und Nutzer:innen können das Ergebnis dann anhand von Lösungsfeldern (Familie, Gattung, Art und deutscher Name) überprüfen. Nach Eingabe des entsprechenden Namens erfolgt bei richtiger Bestimmung sofort eine Rückmeldung in Form von Informationen zur Biologie und Vorkommen der jeweiligen Familie und/oder Art. Somit eignet sich DigiTiB auch zur schnellen Überprüfung von schon vorhandener Artenkenntnis.

Lehrende: Für Lehrende bietet DigiTiB verschiedene nützliche Funktionen für einen Einsatz vor, während und nach den Kursen. So ist die Möglichkeit, Merkmale mit dem integrierten Pointer zu demonstrieren nicht nur im Kursraum hilfreich, sondern kann auch sinnvoll in einem virtuellen Austausch für Klein- oder Großgruppen eingesetzt werden.

Kursverwaltung: Der Kursplaner ermöglicht eigene Bestimmungskurse zu erstellen. Dabei können Lehrende eine zielgruppenspezifische Auswahl an Arten in einem Kurs zusammenfügen. Die Arten können dabei über das Artenlexikon oder über die Gesamtartenliste dem Kurskorb hinzugefügt werden. Die erstellenden Kurse sind über eine eigene Kurz-URL aufrufbar und können auch nachträglich durch den Lehrenden bearbeitet werden, was vor allem bei regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen hilfreich ist.

Einsatzmöglichkeiten

In einigen Fällen sind auch 3D-Abbildungen verfügbar,
die eine Betrachtung von verschiedenen Seiten
ermöglichen.

Durch die genannten Funktionen ergeben sich zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten in der Ausbildung von Artenkenner:innen oder einfach nur für Interessierte, die ihre Artenkenntnis überprüfen und etwas über die heimische Fauna lernen möchten. Wir möchten hier nur ein paar Beispiele skizzieren. So können Übungsaufgaben vor den Kursen verteilt werden (z. B. Schädelbestimmung von Säugetieren), damit die Teilnehmenden schon vorinformiert und mit konkreten Fragen in den Kurs kommen. Während des Kurses können die Teilnehmenden neben dem physisch vorhandenen Material auch digitales Vergleichsmaterial nutzen, um mögliche Unklarheiten in der Interpretation von Merkmalen in dichotomen Schlüsseln zu beseitigen. Die Überprüfung der Bestimmung kann in Präsenzkursen ebenfalls mit DigiTiB erfolgen, wenn das Material zusätzlich mit den DigiTiB-Codes versehen ist. Das hat auch den Vorteil, dass neben dem (vielleicht beschädigten) physischen Exemplar noch ein intaktes virtuelles Exemplar für die Bestimmung zur Verfügung steht. Des Weiteren können Lehrende DigiTiB als Demonstrationsplattform nutzen und so auch im Kurs Merkmale u.a. mit Hilfe der verfügbaren 3D-Modelle anschaulich demonstrieren. Ein großes Problem war oft der fehlende Zugang zu Material und Technik, um auch außerhalb der Kontaktzeit in den Kursen Kenntnisse zu festigen und zu üben. DigiTiB füllt diese Lücke und bietet nun die Möglichkeit zu üben und sich ggf. auf mögliche Prüfungen vorzubereiten.

Quelle: Michalik, P. & Heethoff, M. (2022). DigiTiB – ein digitales Lernwerkzeug für die Vermittlung von Artenkenntnis. In: Husemann et al. (Hrsg.). Facettenreiche Insekten - Vielfalt, Gefährdung, Schutz. Haupt Verlag, S. 219-222.

Autoren:

Prof. Dr. Peter Michalik, Universität Greifswald, Zoologisches Institut und Museum, Loitzer Straße 26 | 17489 Greifswald, michalik@uni-greifswald.de

Prof. Dr. Michael Heethoff, TU Darmstadt, Evolutionäre Tierökologie und Digitales Naturhistorisches Archiv Darmstadt e.V., Schnittspahnstraße 3 | 64287 Darmstadt. heethoff@bio.tu-darmstadt.de

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