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Generalanwalt sieht schwere Mängel beim Schutz der Graslandlebensräume in Deutschland

Strukturreiche Habitate im Extensivgrünland (Foto: Gregor Stuhldreher)

Dr. Matthias Schreiber

Heute Vormittag wurden endlich die mit Spannung erwarteten Schlussanträge des Generalanwalts Nicholas Emiliou in der beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) anhängigen Rechtssache C-47/23 vorgelegt. In dem Verfahren geht es um die Vorwürfe der EU-Kommission gegen Deutschland, nicht in ausreichendem Umfang Maßnahmen zum Schutz der Graslandlebensräume ergriffen zu haben. Im Einzelnen geht es zum die Lebensraumtypen (LRT) 6510 (kurz: Flachland-Mähwiesen) und 6520 (Berg-Mähwiesen).

In der Klage heißt es u.a.:

„Mit ihrer Klage wirft die Kommission der Bundesrepublik Deutschland vor, ihre Verpflichtung aus Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 92/43/EWG, Natura-2000-Gebiete gegen die Verschlechterung der darin vorkommenden natürlichen Lebensräume zu schützen, systematisch verletzt zu haben, und zwar im Hinblick auf zwei wichtige Lebensraumtypen von gemeinschaftlichem Interesse, nämlich magere Flachland-Mähwiesen (LRT 6510) und Berg-Mähwiesen (LRT 6520.

Dieser systematische Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot ergebe sich erstens aus von Deutschland selbst übermittelten Daten, welche aufzeigten, dass zwischen 2006 und 2020 in mehr als einem Viertel der von Deutschland zum Schutz dieser Lebensraumtypen ausgewiesenen Natura-2000-Gebiete rund die Hälfte der Flächen dieser Lebensräume verloren gegangen seien.

Zweitens würden es die deutschen Stellen systematisch versäumen, den Erhaltungszustand der beiden Lebensraumtypen innerhalb der für sie ausgewiesenen Schutzgebiete regelmäßig zu überwachen.

Drittens würden es die deutschen Stellen systematisch unterlassen, die Hauptbelastungsfaktoren für die beiden Lebensraumtypen, eine zu frühe Mahd und Überdüngung, durch rechtlich verbindliche Schutzmaßnahmen zu regeln.“

Im Ergebnis stellt der Generalanwalt in seinem Gutachten, das er zur Vorbereitung der Entscheidung an den EuGH erstellt hat, u.a. fest:

„Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland allgemein und strukturell gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen in der durch die Richtlinie 2013/17/EU des Rates vom 13. Mai 2013 geänderten Fassung verstoßen hat.“

Vorab hatte sich der Generalanwalt in allen Einzelheiten mit dem Klagevorbringen der EU-Kommission auseinandergesetzt und Deutschland für alle drei Dimensionen, die für die Beurteilung eines allgemeinen und strukturellen Defizits relevant sind („Umfang, Dauer und Schwere“) einen Verstoß bescheinigt. Er diskutiert im Weiteren verschiedene Zahlen, um dann zum Schluss zu kommen:

„Diese Zahlen reichen meines Erachtens aus, um darzutun, dass ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie in einer Vielzahl von Gebieten vorliegt, die nicht nur weit verbreitet (im Sinne ihrer geografischen Verteilung im deutschen Hoheitsgebiet), sondern auch hinreichend zahlreich sind, um den Schluss ziehen zu können, dass der Verstoß wahrscheinlich erneut auftreten wird und dass die in Deutschland verfolgte Verwaltungspraxis im Hinblick auf die Durchführung dieser Bestimmung insgesamt problematisch ist.“

Nicht gelten lässt der Generalanwalt den Einwand Deutschlands, in anderen Gebieten hätte sich der LRT ausgedehnt. „Wie bereits ausgeführt, begründet Art. 6 Abs. 2 der Habitatrichtlinie insoweit eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, eine Verschlechterung in jedem als „besonderes Schutzgebiet“ anerkannten Gebiet zu verhindern.“

Folgt der EuGH diesem Schlussantrag, kommen auf Deutschland kurzfristig erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung oder Wiederherstellung der beiden Graslandlebensräume zu. Aber nicht nur da: Ähnliche Defizite bestehen in den deutschen FFH-Gebieten auch für andere Lebensraumtypen. Dazu demnächst mehr an dieser Stelle!

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