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Verbesserung des Tierwohls nicht zu Lasten von Natur und Umwelt!

Eine Stellungnahme des Umweltforums Osnabrücker Land e.V.

Der „Strategierat Bioökonomie Weser-Ems“, ein Zusammenschluss von Unternehmern, Wissenschaftlern und Verantwortlichen in Verwaltungen aus dem ehemaligen Regierungsbezirk Weser-Ems, hat ein „Positionspapier Stallbau“ vorgelegt, in dem die aus Sicht der Bearbeiter nötigen rechtlichen Anpassungen zusammengetragen sind, um mehr Tierwohl in der Tierhaltung zu ermöglichen. So sehr jede Anstrengung zu begrüßen ist, Verbesserungen im Bereich Tierwohl einzuführen, so sehr muss dabei allerdings auch im Blick behalten werden, dass es dadurch nicht zu Verschlechterungen der Umwelt allgemein und des Naturhaushaltes kommt. Gerade an dieser Schnittstelle deutet das Papier jedoch Vorstellungen an, die unter Umweltgesichtspunkten kritisch zu sehen sind. Denn es enthält nicht nur keine begleitenden Maßnahmen zur Verbesserung der ökologischen Bedingungen im Raum Weser-Ems, sondern würde sogar noch weitere Verschlechterungen zugunsten des Tierwohls in Kauf nehmen.

Vorangestellt werden sollen ein paar Schlaglichter auf die ökologische Situation im Raum Weser-Ems. Er zeichnet sich bundesweit aus durch eine z.T. weit unterdurchschnittliche Dichte an Natura 2000-Gebieten (auch im Vergleich zu den benachbarten Niederlanden), durch eine bundesweit deutlich überdurchschnittliche Hintergrundbelastung durch Stickstoff und eine ebenso überdurchschnittliche Belastung des Grundwassers. Mit Blick auf die Verpflichtungen zum Erhalt der Biodiversität, für den der Sachverständigenrat für Umweltfragen kürzlich oberste Priorität forderte, treffen im hier betrachteten Raum also ein besonders geringer Anteil an Schutzgebieten auf eine besonders hohe Nährstoffbelastung, die ein Haupttreiber für den Rückgang der Arten ist. Im Hinblick auf die Ausgangsfrage, Perspektiven für tierhaltende Betriebe zu schaffen, sei hier auch auf die Ergebnisse eines Workshops verwiesen, die zu dem Ergebnis kommen: „Klimaschutz, Erhalt der Biodiversität und soziale Gerechtigkeit – diese Aufgaben lassen sich nur im Dreiklang lösen.“ Hierbei handelt es sich nicht bloß um ein regionale oder nationale, sondern um globale Aufgabe.

Vor diesem Hintergrund greifen verschiedene Vorstellungen des Positionspapiers zu kurz. So soll nach den Vorstellungen des Strategierates die angestoßene Änderung des Baugesetzbuchs (BR-Drs. 345/20 = BT-Drs. 19/20977) noch in dieser Legislaturperiode abgeschlossen werden. Übersehen wird dabei bereits, dass der Deutsche Bundestag den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung des Tierwohls in Tierhaltungsanlagen auf Empfehlung des Ausschusses für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen in seiner Sitzung am 24. Juni 2021 einstimmig für erledigt erklärt hat. Davon abgesehen ist auf § 245 Abs. 5 BauGB zu verweisen, der dem Anliegen des Strategierates in Ansehung der Änderung gewerblicher Tierhaltungen bereits in hinreichender Weise Rechnung trägt. Die Vorschrift unterstützt bauliche Änderungen gewerblicher Tierhaltungsanlagen zur Verbesserung des Tierwohls gemäß der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung hinsichtlich der Haltung von Jungsauen und Sauen. Würde den darüber deutlich hinausgehenden Vorstellungen des Strategierates entsprochen, käme dies einem Abbau der umweltbezogenen Prüfanforderungen gleich. Solange jedoch nicht auf anderem Wege sichergestellt ist, dass nachteilige Umweltauswirkungen vermieden werden, ist eine solche Prüfungsvereinfachung aus Gründen des Natur- und Umweltschutzes abzulehnen.

Managementpläne zur Stickstoffminderung aufstellen!

Gerade im Raum Weser-Ems muss es bei dem Grundsatz bleiben, dass Genehmigungen immer zu einer Verbesserung der Geruchs- und Ammoniakbelastung führen müssen. Ausnahmen zugunsten des Tierwohls, die womöglich sogar Verschlechterungen der Emissionen zulassen, sind aus Gründen des Natur- und Umweltschutzes abzulehnen.

Von besonderem fachlichem und rechtlichem Gewicht sind Zusatzbelastungen bzw. unterbliebene Verminderungen, wenn sie im Wirkbereich von Natura 2000-Gebieten erfolgen. Für sie gilt in vielen Fällen das Gebot der Entwicklung eines günstigen Erhaltungszustandes aufgrund zu hoher Stickstoffeinträge, in jedem Fall ist jedoch ein Verschlechterungsverbot – in Verbindung mit kumulativ wirksamen Vorhaben – bei der Genehmigung von Vorhaben zu beachten.

In diesem Zusammenhang würde es die einzelnen Genehmigungsverfahren deutlich entlasten, wenn zumindest für die Natura 2000-Gebiete Stickstoffminderungspläne aufgestellt würden, die eine gebietsbezogene Gesamtbilanz liefern und konkrete Minderungsschritte benennen und auch umsetzen. Liegt ein solches Konzept vor, wird nicht jedes einzelne Genehmigungsverfahren in der FFH-Verträglichkeitsuntersuchung mit dem kompletten Untersuchungsaufwand zur Ermittlung der Stickstoffbelastungen des Gebietes belastet. Sind bereits Minderungsmaßnahmen wirksam geworden, so könnte bei Neu- oder Änderungsgenehmigungen über eine teilweise und zeitlich befristete Inanspruchnahme der erreichten Minderungen nachgedacht werden. Dieser Ansatz greift damit die Forderung des Positionspapiers auf, nicht mehr allein auf eine betriebsbezogene Prüfung zu setzen. Es muss jedoch betont werden, dass dafür Voraussetzungen erforderlich sind, die nach hiesigem Kenntnisstand bisher bei keinem einzigen Natura 2000-Gebiet der Region erfüllt sind. Erst recht gilt dies für sonstige Schutzgebiete und die nach § 30 BNatSchG bzw. Landesrecht gesetzlich geschützten Biotope.

Sofern die Genehmigungsanträge in ein solches Minderungssystem zumindest für die Natura 2000-Gebiete eingebettet sind, kann auch über die im Positionspapier geforderte vereinfachte Zulassung von Minderungstechniken nachgedacht werden, die in Nachbarländern für vergleichbare Haltungsformen bereits anerkannt sind.

Hinsichtlich der gesetzlichen Regelungen ist darauf aufmerksam zu machen, dass die Neufassung der TA Luft zwei „Zeitbomben“ enthält, die die hier diskutierten Stallbaugenehmigungen gerade vor dem Hintergrund bisher gänzlich fehlender Minderungspläne für die Natura 2000-Gebiete gerichtlich angreifbar machen.

Dies ist zum einen der in Anhang 8 TA Luft festgelegte Abschneidewert von 300 g*ha-1*a-1, der nach unserer Einschätzung mit dem Verschlechterungsverbot der FFH-Richtlinie und auch der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (ECLI:EU:C:2018:622) nicht in Einklang zu bringen ist.

Gleiches gilt auch für den in Anhang 9 TA Luft bestimmten Abschneidewert von 5 kg N/(ha*a), der dem gesetzlichen Verbot des § 30 Abs. 2 BNatSchG nach den jüngeren Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts (NVwZ 2021, 1295 Rn. 31) zuwiderläuft. Mit Blick auf die kraft Gesetzes geschützten und zumeist in der Roten Liste der gefährdeten Biotoptypen Deutschland (BfN 2017) verzeichneten Biotope konkretisiert die TA Luft nicht die in § 30 Abs. 2 BNatSchG normierte „Erheblichkeitsschwelle“, sondern verstößt schlicht gegen höherrangiges Recht.

Sollte die Praxis in Anwendung der genannten Regelungen der TA Luft Genehmigungen für die Änderung von Tierhaltungsanlagen erteilen, deren Betrieb zu einer erhöhten Stickstoffbelastung eines Natura 2000-Gebietes oder eines gesetzlich geschützten Biotops führt, sind Rechtsstreitigkeiten gleichsam vorprogrammiert.

Zusammenfassung

Das bisherige Positionspapier berücksichtigt die Belange des Natur- und Umweltschutzes unzureichend. Erhebliche Potenziale zur Vereinfachung von Genehmigungsverfahren können durch die Landkreise selbst freigesetzt werden, indem zumindest für die Natura 2000-Gebiete Stickstoffminderungskonzepte in das Gebietsmanagement und die Schutzgebietsverordnungen implementiert werden.

Dagegen birgt die aktuelle Rechtslage erhebliche Risiken aufgrund der festgelegten Grenzwerte. Eine mit der Rechtsprechung des EuGH in Einklang stehende Neuregelung würde deshalb zusätzlich zur Rechtssicherheit von Genehmigungen beitragen.

Insofern kann dem Schlusssatz des Positionspapiers zugestimmt werden: Politische Entscheidungen sind jetzt erforderlich – und zwar auch auf Ebene der Landkreise!

Bramsche, den 21.11.2021

Text und Bilder: Dr. Matthias Schreiber

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